vor ungefähr 10 jahren arbeitete ich als außendienstmitarbeiter einer versicherung. wie es dazu kam, dass ausgerechnet ICH diesen für mich völlig ungeeigneten job ausübte, ist eine völlig andere geschichte (die hier jedoch vermutlich nie erzählt werden wird). jedenfalls brachte es diese art der tätigkeit immer wieder mit sich, dass man öfter mal auch lange nach feierabend unterwegs war. die leute hatten ja meistens erst dann zeit, wenn sie nach dem arbeitstag wieder zuhause waren.
es war also bereits dunkel und regnete als ich zur autobahnauffahrt abbog. da sah ich jemanden in der kurve stehen, daumen nach oben, also definitiv ein anhalter, und gleich darauf erkannte ich die typische tracht eines handwerkers auf der walz. als "walz" werden die wanderjahre der lehrlinge nach der lehrzeit genannt, jedoch nur in gewissen handwerklichen bereichen, bzw. "zünften". diese tradition besteht schon seit sehr vielen jahren, genauer gesagt seit dem mittelalter, und bringt dementsprechend viele und strenge regeln und richtlinien mit sich. auch wenn in der neuzeit kaum noch jemand auf wanderschaft geht, so sieht man doch immer wieder mal vereinzelte tippelbrüder durch die lande ziehen. und hier stand definitiv so ein geselle auf wanderschaft. leicht an seinem großem altmodischen hut, den seltsamen hosen mit schlag, der weste, dem wanderstock und dem bündel zu erkennen.
ich dachte mir, auch wenn ich ihn nur etwa 30 km mitnehmen kann, so sind es immerhin 30 km und in der zeit kann er sich in meinem auto aufwärmen und vielleicht ein bisschen trocknen. also hielt ich an und ließ ihn einsteigen. meine überraschung war groß, als sich herausstellte, dass der tippelbruder eine tippelschwester war. bis dahin war ich der meinung gewesen, dass sich nur männer auf der walz befänden, doch an diesem abend lernte ich, dass es inzwischen auch etliche frauen gibt, die sich auf wanderschaft begeben.
sie stieg also dankbar ein, und, was sonst eher weniger zu meinen eigenschaften gehört, ich begann ihr fragen zu stellen. also, ich stelle natürlich immer wieder mal fragen, doch bin ich ein äußerst schlechter gesellschafter denn sozialer smalltalk ist mir fremd und zuwider. in diesem fall gab es jedoch interessante dinge zu erfahren. so lernte ich zum beispiel, dass es den beruf des elfenbeinschnitzers gibt, welchen sie nämlich erlernt hatte, und dass diese elfenbeinschnitzer natürlich nicht an elefantenstoßzähnen herumschnitzen, sondern an stoßzähnen von mammuts. offenbar werden davon genug gefunden um diesen berufsstand auf ethisch vertretbaren füßen bestehen zu lassen. diese information habe ich nie überprüft, aber sie erscheint mir plausibel.
da ich im laufe des gespräches auch erfuhr, dass sie weder ziel noch unterkunft für die nacht hatte, aktivierte ich freunde die in einem haus zusammen mit meinen brüdern eine wg gegründet hatten und brachte sie dort unter. dort unterhielt man sich noch ein weilchen, sie war vor allem total aus dem häuschen, dass sie endlich wieder mal zugang zu internet und mail hatte - man denke daran, dass es damals noch keine smartphones gab (falls solch ein gerät überhaupt auf der walz zulässig wäre) - es wurde gegessen und getrunken, und dann verabschiedete ich mich. ihren namen habe ich zwar damals erfragt, ihn mir jedoch nicht gemerkt, ich wüsste auch beim besten willen nicht mehr wie sie aussah. man hat sich weder jemals wieder getroffen, noch voneinander gehört.
auf der fahrt gab es übrigens ein schönes erlebnis. ich hatte eine kassette im autoradio laufen, als sie plötzlich ganz aufgeregt wurde, weil ein song lief, den sie schon ewig nicht mehr gehört hatte, von dem ich dachte, dass ihn außer mir und jenen die ihn durch mich gehört hatten kaum jemand kennen würde. ich mochte den song sehr, bzw. mag ihn immer noch extrem gerne und ich freute mich, dass sie sich darüber freute.
jetzt wo ich diese zeilen schreibe fällt mir auf, dass man kaum noch leute auf der walz sieht, auch sonstige autostopper sind kaum noch anzutreffen. woran das wohl liegen mag? gerade solche zufälligen begegnungen machen das leben doch interessant! mit dem wagen stehenbeiben um in sachen wissen und zwischenmenschlichkeit weiterzukommen ist doch auch eine schöne metapher....
ach, und hier natürlich der song über den wir uns freuten:
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