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Du entschuldige, i kenn di, bist du net die Klane,
Die i schon ois Bua gern ghabt hob
~ Peter
Cornelius, „Du entschuldige, i kenn di“ ~
Und es begab sich,
dass in der Fußgängerzone der prächtigen Heimatstadt Toms ein Weihnachtsmarkt
stattfand. Allerlei fahrendes Volk, die Kaufleute der Gemeinde und sonstiges
geldgieriges Gesindel hatten sich dort eingefunden, um mit Ihren mehr oder
weniger prachtvollen Verkaufsständen der laufenden Kundschaft das Geld aus der
Tasche zu ziehen. Es gab Stände mit von kleinen ungeschickten Kinderhänden
verzierten Kerzen, Kerzen aus Bienenwachs und andere Gegenstände aus dem selben
penetrant übelriechenden Material, das dann doch nur langsam im Wohnzimmer
verstaubte, Stände mit selbstverbrochenen Adventkränzen, Stände mit uninteressantem
und überteuertem Kunsthandwerk, Stände mit Honig und Marmelade, Stände mit
Weihnachtschmuck und Hinterglasmalereien, Stände mit Kunst und Krempel, Stände mit
Zuckerwatte, gebrannten Mandeln und trockenem bröseligen Türkischen Honig und
anderem unnötigen Zeugs und Gedöns. Nun ja, jedenfalls bestand Manuela darauf
diese Orgie des vorweihnachtlichen Konsumrausches zu besuchen, vor allem um dem
gemeinsamen Sohn eine Freude zu machen. Es hatten sich die „Obermuller
Tuifelskerlan“, ein Haufen verwegener oder auch einfach nur übermütiger, jedoch
vor allem sich der Tiroler Traditionen verpflichtet fühlender Burschen, in
Fellen und Lumpen gehüllt und mit furchterregenden Masken bewehrt angekündigt.
Nicht angekündigt wurde jedoch der damit einhergehende, nicht unbeträchtliche Lärm, den
diese Wahnsinnigen auf alten Blechfässern, aus Autos ausgebauten
Kraftstofftanks, ausgebauten Waschtrommeln und ähnlichem laut scheppernden
Gerät veranstalteten – und dies sehr zur Freude des kleinen rhythmisch begabten
Nachwuchses und des restlichen Publikums. Tom freute sich jedoch hauptsächlich
über die Teenagermädchen die traditionellerweise von den höllischen Gestalten, beziehungsweise
von deren rußgeschwärzten Händen im Gesicht angeschmiert wurden. Bei manchen
Mädchen fanden sich auch Rußflecken an normalerweise eher verbotenen, sprich
nicht jugendfreien Körperzonen.
Auch ein
Nikolaus war anwesend und verteilte großzügig mit Weihnachtsgebäck, Nüssen und
Mandarinen gefüllte kleine Geschenksäckchen an die mit vor Staunen weit
geöffneten Augen und Mündern sich vor ihm drängenden Kinder. Und dies sehr zu
Toms und Manuelas Erstaunen und Vergnügen auch noch völlig Kostenlos. Wohl ein
Service der Stadtverwaltung - oder der Kaufleute - oder von beiden. Wie auch
immer, jedenfalls trug diese Geste dazu bei, dass man nun doch in diesem
Verkaufsrauschwahnsinn einen Hauch von Weihnachtsfeeling verspürte.
Weiters
befand sich auch ein kleiner Streichelzoo mit Kaninchen, Ziegen (warum in
solchen Streichelzoos auch immer diese stinkenden Ziegen vorhanden waren, war
Tom ein Rätsel) und Lämmern inmitten all der Verkaufsstände, und dazu auch die Möglichkeit für einen geringen Obolus sein
Kind auf ein kleines Pony zu verfrachten, und es von ebenso jungen wie eifrigen,
und vor allem von all dem Tierkot verdreckten Mädchen einmal die ganze
Fußgängerzone hin und her reiten zu lassen. Diese Möglichkeit auf eine
Verschnaufpause, bzw. die Möglichkeit sich in aller Ruhe mal eine Zigarette
anzuzünden und sie auch genießen zu können, ohne von einem Stand zum nächsten
gezerrt zu werden, ließ sich Tom natürlich nicht entgehen. Und so stellte er
den gemeinsamen Nachwuchs zusammen mit Manuela in der doch relativ langen Warteschlange vor dem
Ponyterminal ab.
Während
er nun so abseits auf einem Schaufenstersims hockend und zufrieden vor sich
hinrauchend die an sich vorbeiziehende Menschenmenge betrachtete, war Ihm so, als
würde er dort seine alte Jugendliebe Elisabeth vorüberschweben sehen. Und nach
einer Schrecksekunde, in der nicht nur sein Herz durch die ganze Hose und an
der Beinöffnung unten hinausrutschte, sondern sich auch noch sämtliches Blut
das normalerweise das Gehirn mit dem nötigen Sauerstoff versorgte irgendwo in
der Magengegend versammelte, war er sich sicher dass sie es wirklich war.
Dummerweise gab nun das Gehirn, sämtlichen Sauerstoffs beraubt und offensichtlich
nicht mehr fähig vernünftige Entscheidungen zu treffen, an das Sprachzentrum den
Befehl das vorbeischwebende vermeintliche Engelchen doch anzusprechen.
Als
alter Musikliebhaber verband Tom mit fast allen Personen seines Lebens
passende Songs. Nun ja, manchmal waren sie mehr passend, manchmal eher weniger, da diese in der Regel mit Stimmungen und mit der Zeit in der man mit diesen Leuten etwas zu tun
hatte verbunden wurden. Normalerweise war das nur ein einzelner prägnanter
Song, bei manchen Leuten waren es 2 oder 3, bei Elisabeth (oder Lucy wie er sie
manchmal wegen des Wortspiels das sich mit
Lucifer spielen lässt für sich genannt hatte, weil sie von aller welt "Lisi" genannt wurde, ihm dies jedoch mißfiel, da er dabei an eine Kuhmelkerin denken musste - was wiederum so gar nicht zu ihr passte) waren es gleich deren 5.
und zwar:
1)
„Elisabeth-Serenade“
vom Günther Kallmann Chor wegen der Textzeile „Hörst du mein Lied Elisabeth“.
Ein zwar äusserst schnulziges, aber dennoch sehr schönes Lied.
2)
„Elisabeth“
von Snäp mit „Ä“ geschrieben, die übrigens nichts mit den heute bekannten Snap
zu tun haben, wegen der Textzeile „Elisabeth, du warst so gut zu mir und ich
möcht auch gut sein zu dir, Elisabeth, who-ho“.
3)
„Pfiat
di Gott Elisabeth“ von der Bayrischen Rock’n’Roll Band Spider Murphy Gang,
einfach nur wegen des Titels.
4)
„Segel
im Wind“ von Peter Cornelius, wegen der Textzeile „Du host die Kraft ana Löwin,
doch du treibst so wie a Segel im Wind“.
5)
„Zu
spät“ von den Ärzten, wegen der Textzeile „Doch eines Tages werd ich mich
rächen, ich werd die Herzen aller Mädchen brechen. Dann bin ich ein Star, der
in der Zeitung steht, und dann tut es dir leid, doch dann ist es zu spät!“
6)
Und
in genau diesem Moment kam noch ein sechstes Lied, ein weiterer Song von Peter
Cornelius dazu, nämlich „Du entschuldige i kenn di.
Wie man unschwer erkennen kann war Toms Beziehung zu
Elisabeth irgendwo zwischen Vergötterung einer unerreichbaren Schönheit, Hass
auf ihre ausdauernde Weigerung sich mit ihm auf eine Beziehung einzulassen, und die
Trauer eben darüber angesiedelt. Es hatte nie eine Beziehung gegeben, nur
einmal in Jugendjahren, nachdem sie sich bereits schon ca. 4 Jahre gekannt
hatten, schaffte er es sie auf einer Silvesterparty so weit zu verführten dass
zumindest eine veritable Knutscherei inklusive der Chance ihre süßen kleinen
Brüste zu begrapschen, die er natürlich auch wahrnahm, drinnen war. Ansonsten
kam es ihm vor als ob er ihr immer nur hinterhergelaufen wäre. Sie war Schuld
an seinem Idealbild einer Frau. Nur wegen Ihr liebte er Frauen mit langen
blonden Haaren, mit blauen Augen (was ein wenig seltsam war da sie braune Augen
hatte, aber in seiner Vorstellung waren sie immer strahlend blau gewesen,
obwohl er von deren wahrer farblichen Beschaffenheit wusste), mit schlanker sportlicher Figur, mit Grübchen
in den Wangen, Mit Bluejeans und Reiterstiefeln und mit Zahnlücke zwischen den
oberen vorderen Schneidezähnen. Dummerweise hatte sich jedoch diese Elisabeth eingebildet
diesen vermeintlichen Makel einer Zahnlücke im Erwachsenenalter mittels
Zahnspange korrigieren zu müssen, ohne zu ahnen, dass gerade diese
Unvollkommenheit sie in seinen Augen nur noch vollkommener machte - oder sie
wusste das ganz genau und ließ sich gerade deswegen die Zahnlücke richten.
Zugetraut hätte er ihr es ja, denn er wusste in all den Jahren (22 waren es
inzwischen) in denen er sie kannte nie genau was sie eigentlich von ihm hielt.
Ob sie ihn nur tolerierte weil er wie ein treues Hündchen, zumindest in ihrer
gemeinsamen Jugend, immer für sie da war, oder ob sie ihn doch mochte, sie sich
nur nicht traute eine feste Beziehung zu beginnen, oder was auch immer. Frauen
waren sowieso ein ewiges Rätsel für Tom, woran Elisabeth einen nicht unbeträchtlichen
Beitrag geleistet hatte. Seine Vermutung war, dass er zu lange gewartet hatte
und irgendwann ins Freunderl-Eck gestellt worden war. Und Freunde sind für
Frauen ja sowieso irgendwie Tabu. Weiß der Geier warum Frauen es sich nicht
vorstellen können auch mal mit einem sogenannten guten Freund in die Kiste zu
springen oder, Gott bewahre, noch schlimmer: eine Beziehung anzufangen.
Nun,
jedenfalls leistete sein Sprachzentrum dem dämlichen Befehl aus seinem gerade
schwachsinnig gewordenen Hirn folge, und sprach Elisabeth an. „Hallo Elisabeth“
sagte Tom nicht gerade besonders originell. Er sagte zu Ihr gerne Elisabeth,
obwohl sie Lisi oder Lisa lieber mochte. Lisi war ihm zu provinziell, zu
bäuerlich, so hießen Kühe aber nicht seine Angebetete, und "Lisa" hatte sie aus
einem Griechenlandurlaub mitgebracht, was ihm schon alleine deswegen
unsympathisch war. Nein, Elisabeth schien ihm immer irgendwie respektvoller und
angemessener.
„Hallo Tom“ sagte sie erstaunt und lächelte dabei sogar, was
seinem bereits durch die Hosenbeine geflohenem Herzen, das unter ihm im
Schneematsch lag und nur mehr röchelte, noch mal einen kräftigen Energieschub
gab, und es somit endgültig im nächsten Kanalschacht verschwand. „Wie geht’s dir
denn, lange nicht mehr gesehen“ stellte sie fest.
„Ja, stimmt, ca. 10 Jahre
oder so“ erwiderte Tom. „ich hatte inzwischen einige interessante Jobs und bin
auch stolzer Vater geworden“. Am liebsten hätte er gerade sein blutleeres
Gehirn erwürgt, mit so was platzt man nicht nach 10 Jahren Funkstille sofort
heraus. Vor allem nicht wenn man vor hat den Kontakt zu intensivieren. Immerhin
war ja bereits nach einigen Partnerberatungssitzungen klar, dass Manuela
definitiv die Trennung wollte. Mit dem Ausziehen wurde nur noch deshalb
zugewartet weil sie erst eine passende Wohnung finden musste.
„Wow!“ staunte
Elisabeth, „wie alt, Bub oder Mädchen?“ wollte sie wissen.
„5, Junge,
hochintelligent, sehr hübsch und mein ganzer Stolz, aber kein Wunder bei meinen
Genen“ lachte er.
„Das glaub ich dir sogar“ gab sie zwinkernd sie zurück.
„Und
du?“ Nun war natürlich auch Tom neugierig.
„Ich bin verheiratet und habe 3
Kinder“ kam ihre Antwort. Tom hörte das geflohene Herz aus dem Kanalschacht
heraus leise stöhnen.
„ääh… ja… aha.. echt?“ stammelte er.
„Nein“ lachte sie
ihm prustend ins Gesicht, „keine Kinder“.
„Aber verheiratet?“ hakte Tom nach.
„Auch das nicht“ meinte sie.
„Lebensgemeinschaft?“ Tom wollte es nun genau wissen.
„Nein, gar nichts, ich finde einfach irgendwie nicht den richtigen“ Elisabeth
schaute ein wenig beschämt zu Boden und scharrte mit ihren Stiefeln im Matsch
herum. Toms untreues Herz lugte wieder zwischen den Kanalgittern hervor.
„Naja,
mich wolltest du ja nie wirklich haben hatte ich den Eindruck“. Tom schickte
einen verbalen Spähtrupp los. Es entstand eine kleine Pause in der das in Toms
Bauch versammelte Blut langsam wieder dorthin zurückkehrte, wo es offensichtlich
dringender benötigt wurde. „Bist du noch Schwester in der Klinik?“ versuchte er
nun abzulenken.
„OP-Schwester, andere Klinik, genauer gesagt Privatklinik, du
weißt schon, in Innsbruck an der Kettenbrücke.“ Sie lächelte ihn wieder an.
„Hab ein paar Fortbildungen gemacht und jetzt geht’s mir ganz gut. Und wie
geht’s dir denn so, beruflich?“ Toms zweites Herz flutschte in den Hosenboden. Es
musste ein zweites Herz sein, denn er hatte nicht bemerkt dass das erste
zurückgekehrt wäre, dennoch spürte er genau, dass es gerade seinen angestammten
Platz verließ. Zurzeit war er nämlich hochoffiziell Arbeitslos und wollte DAS
nun jetzt wirklich nicht der Dame seines Herzens offenbaren.
„Naja, das ist ein
bisschen kompliziert" druckste er linkisch herum, "Ich würde dir das und alles andere gerne in aller Ruhe
bei einem Kaffe erzählen. Wäre das eine Idee?“ Tom versuchte eine Nebelbombe zu
werfen um nicht sofort antworten zu müssen, denn er hatte keine Ahnung wie er
das jetzt erklären sollte.
„OK“ meinte sie.
„Gut“, Tom wühlte in seinen
Jackentaschen und zauberte eine alte Visitenkarte von seinem vorhergehenden Job
bei einer Werbeagentur hervor, mit der sich wunderbar angeben ließ. „Ruf mich an,
die Handynummer stimmt, alles andere leider nicht, aber das erzähl ich dir dann
genauer“. Er lächelte verlegen. In diesem Moment kam Manuela mit dem gemeinsamen Nachwuchs im
Schlepptau vorbei.
„Wir gehen ins Rathaus, dort können die Kinder Kekse backen“
rief sie ihm im Vorübergehen zu und die beiden verschwanden 3 Meter weiter im
Eingang des Rathauses. „Na super“ dachte sich Tom, „ich hätte euch eh
vorbeigehen sehen, wäre also unnötig gewesen dass du mich anquatscht während
ich versuche mir deine Nachfolgerin zu angeln“.
„War das dein Kleiner? Der ist
ja voll süß!“ Elisabeth strahlte Tom an. „Gratuliere, hübsches Kind“.
„Danke“
quetschte Tom zwischen den Zähnen hervor. „Ruf mich an, ich würde mich echt
sehr freuen!“
„OK, mach ich, ciao, bis dann.“ Sie verabschiedeten sich und Elisabeth
verschwand langsam in den Rauch- und Nebelschwaden des Grillstandes der
Feuerwehr.
Tom zündete sich noch eine Zigarette an, bemerkte dass die Hand mit
dem Feuerzeug leicht zitterte und wischte sich den Schweiß von der Stirn, der
sich trotz Minusgrade dort gebildet hatte. „Dabei glaub ich eigentlich gar
nicht an Liebe und Pfiat di Gott, Elisabeth“ murmelte er für andere nicht hörbar
in den Zigarettenrauch hinein.
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