Donnerstag, 22. Mai 2014

DAS SELBST GEBASTELTE LEBEN

als kind dachte ich, dass alle dinge die man in geschäften kaufen kann industriell hergestellt werden und besser seien als selbstgemachtes. von hand gefertigtem zeug sah man einfach an, dass es nicht so perfekt war wie industrielle produkte. so dachte ich zumindest. erst nach und nach kam ich dahinter, dass viel mehr dinge gar nicht industriell gefertigt werden als man meinen möchte UND dass die nicht schlechter sein müssen.

ich fand zum beispiel selbstgestrickte pullover, schals, socken, handschuhe und kappen lange nicht so klasse wie jene aus dem geschäft. selbst gezimmerte möbel waren mir ebenso suspekt wie alles andere das nicht aus einem geschäft kam.

auch heute noch lehne ich im ersten reflex dinge ab denen man ansieht, dass sie nicht aus dem geschäft kommen, obwohl ich es inzwischen besser weiß. mir ist selbst nicht ganz klar woran das liegt. vielleicht mag ich es einfach nur nicht, wenn dinge nicht perfekt sind, wobei das meinem faible für gebrauchsspuren irgendwie zuwiderläuft.

als kind dachte ich auch, dass man als erwachsener genau über die dinge des täglichen lebens bescheid wüsste, dass man einen job hat und geld (zumindest "normal" genug um "normal" zu leben), dass man irgendwann eine normale wohnung mit normalen möbeln hat, irgendein haustier und natürlich partner und kind. und ich dachte auch, dass sich das alles irgendwie ganz von alleine regeln würde, dass das leben eben so läuft.

und dann wurde ich älter und erwachsen und irgendwie änderte sich da nichts. ich wusste nicht plötzlich über alles bescheid, bekam nicht locker mal eben einfach so irgendeinen job und wunderte mich, dass das mit dem geld auch nicht ganz so toll klappt wie ich es mir gedacht hatte. zudem bemerkte ich, dass all die anderen erwachsenen um mich herum auch nicht viel besser dran waren UND dass gar nicht so wenige noch weniger ahnung hatten als ich.

der tag an dem ich mir selbst eingestehen musste, dass man als erwachsener eigentlich genau so ahnungslos herumwurschtelt wie als kind, mit dem unterschied, dass einem nun niemand mehr dabei hilft und jede entscheidung weitreichende konsequenzen hat, war der tag an dem ich vermutlich wirklich erwachsen wurde. und mal ganz ehrlich: ich war enttäuscht!

ich will meine mangelnde vorbereitung auf das erwachsenenleben nun nicht unbedingt meinen eltern um den hals binden. sicher war es zum teil auch deren versäumnis mich nicht ausreichend vorbereitet und mir rechtzeitig die illusionen ausgetrieben zu haben, aber irgendwie hatte das auch sonst niemand getan. es schien gesellschaftlicher konsenz zu sein, dass das leben so ablaufen würde wie ich es mir als kind ausmalte. niemand widersprach, niemand hatte bedenken, niemand sagte mal "wir haben ja selbst keine ahnung und versuchen irgendwie zurechtzukommen, so wird es auch bei dir sein".

so wie ein tischler einen tisch genau so gut oder noch besser bauen kann, wie einen den man im geschäft kauft und so wie ein heimwerker solch einen tisch zwar funktionell genau so gut hinbekommt, nur nicht ganz so schön, so ist es auch mit dem leben. manche haben das glück ein industriell vorgefertigtes leben zu führen, aber das sind wirklich sehr wenige. die meisten haben ein leben das dem tisch eines handwerkers gleicht, individuell, mehr oder weniger ok und mehr oder weniger hübsch und stabil, je nachdem wie gut der handwerker war. und einige haben ein selbst gebasteltes heimwerkerleben. es funktioniert zwar, ist aber nicht so hübsch und nicht so stabil wie die anderen, weil sie eben nicht alle kniffe kennen oder einfach kein talent dafür haben.


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