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You can reach but you can't grab it
you can't hold it control it you can't bag it
you can push but you can't direct it
circulate regulate oh no you cannot connect it
~ U2, “Discothèque” ~
…[Eine Hand reißt Blätter
von einem Kalender ab und stoppt irgendwo im Mai - Eine Szene wie sie
heutzutage in Filmen nicht mehr gezeigt wird]…
Es war zwar erst kurz vor 16:00 Uhr, und Tom war somit
eine halbe Stunde zu früh zum vereinbarten Termin für den Soundcheck, aber es
war ihm lieber wenn er in einem Cafè noch warten musste, als er käme zu spät
und ihm würde dann sozusagen hinten herum diese Zeit fehlen. Tom liebte
Zeitpolster. Je mehr, desto lieber und desto kuscheliger fühlte sich sein
Zeitmanagement an.
Er hatte
einen Gig als Dj im Club PLANET NUTOPIA in Innsbruck ergattert. Es kam selten genug vor, dass ein Clubbesitzer offen
genug war einen DJ zu engagieren, und ihn noch dazu anständig zu zahlen, der
nicht auf die klassische Art mit Turntables oder CD-Playern auflegte, sondern
mit seinem Laptop und MP3s und dann auch noch elektronischen Sound spielte der
sich nicht leicht in eine Schublade namens Dancefloor,
Drum’nBass, Techno oder irgendeiner anderen Bezeichnung schieben ließ.
Darum war Tom auch sehr froh diese Chance zu bekommen in einem halbwegs angesehenen
Club auflegen zu dürfen, und wollte unbedingt alles richtig machen. Darum war er
viel zu früh da. Und darum stand er jetzt mit seinem roten Werbegeschenks-Rucksack
der Kronenzeitung, der ihm eigentlich viel zu peinlich war, und in dem sich der
Laptop samt Computermaus, sämtlichen nötigen Kabeln und einer externen
Festplatte mit über 100 Gigabyte an gespeicherter Musik (Das Dj-Programm welches
Tom auf seinem Laptop benutzte zeigte ihm an wie viele Tracks erfasst waren und
wie lange man brauchen würde sie alle anzuhören. Es waren fast 20.000 Stück und
63,7 Tage. Nun, für heute waren nur 5 Stunden geplant, das sollte genügen), vor
der Eingangstür des Clubs. Zu Toms großem
Erstaunen ließ sich die Tür tatsächlich leicht quietschend öffnen, und er schickte sich an die
stockdunkle Stiege, durch die dumpf ein locker-chilliger Dancebeat nach oben zu
ihm hinaufwaberte, hinunterzusteigen.
Unten,
in den heiligen Hallen, war es erstaunlich hell. Vermutlich war das die
Beleuchtung die benutzt wurde wenn die Putztruppe durch den Club ... äh ja ... "fegte", obwohl man dann später
am Abend beim üblichen Schummerlicht ja sowieso nicht sah wie dreckig man sich
den Hosenboden machen würde, falls man es wagen sollte sich irgendwo
hinzusetzen. Tom sah sich um, in der Hoffnung irgendjemanden zu entdecken, der
nicht nur den Schmutz auf dem Dancefloor gleichmäßig verteilte, sondern der
genug Verantwortung inne hatte, um ihm zu erlauben das DJ-Pult mit seinem Laptop
zu besetzen und seine Kabel an den richtigen Stellen anzustöpseln, um dann zu
versuchen das Haus zu rocken.
Hinter der Bar stand ein Bär. Der Bär
trug ein schwarzes U2-T-shirt (Zooropa) und eine rote Baseballkappe auf der BOSS? geschrieben stand. „Cooles Shirt“
sprach Tom den behaarten Berg an.
„Wenn du DJ Plastik bist, dann hab ich dich
erst in einer halben Stunde erwartet. Naja, umso früher umso besser. Kaffee?
Ich bin Chris, für die meisten jedoch einfach Grizzley“ antwortete ihm der nun im
wahrsten Sinne des Wortes wahrhaftig gewordene Grizzley in einer Lautstärke, die
Tom niemals für menschenmöglich gehalten hätte, ohne dass man es jedoch
schreien nennen hätte können. Er grinste still in sich hinein.
„DJ BLASTIK, mit
einem großen, dicken und sehr flauschig-weichen „B“! Und ja, Kaffee immer,
überall und jederzeit, danke. Kann ich schon mal anfangen aufzubauen, Laptop
hochfahren und so?“
„Logisch!“ eine Bärenpranke deutete in Richtung DJ-Pult
„steck dich an und dann schauen wir gleich ob die Sache auch so funktioniert
wie sie funktionieren sollte.“ Der Kerl war sympathisch unproblematisch. Tom
schlenderte über die Tanzfläche zum DJ-Pult und begann dort seine Sachen
aufzubauen. Während der Laptop gerade hochfuhr bekam er seinen Bärenkaffee
serviert und gleichzeitig schlichen sich seine beiden Brüder Little Joe und Big
Nick bei der Tür herein, was Tom nun doch ein wenig erstaunte, denn er hatte
nicht mit den beiden gerechnet. Zumindest nicht um diese Uhrzeit. Sie wussten,
dass Tom heute hier auflegen würde, und da sie zufällig in der Gegend waren,
schauten sie auf gut Glück einfach mal herein. Der Umstand, dass um diese Tageszeit
der Club normalerweise fest verschlossen war, hatte sie nicht im Geringsten
gestört, und die beiden waren einfach mal hier hereingeschneit. Dass
Tom bereits zwecks Aufbauen und Soundcheck hier war, war also reines Glück,
aber so machten die beiden es immer. Einfach mal drauflos wursteln und
hinterher erst etwaige auftauchende Probleme lösen. Diese Vorgehensweise
ärgerte Tom immer wieder, aber dummerweise hatten sie mit dieser Einstellung
viel zu oft Erfolg. So wie gerade eben. „Gehören die beiden zu dir?“ wollte
Grizzley wissen. Tom zögerte zwei bis fünf Sekunden und starrte seine dreisten
Brüder mit einer gefährlich hochgezogenen Augenbraue über den leeren Dancefloor
hinweg an. Die beiden blieben abrupt auf dem Weg zu Tom mitten auf der
Tanzfläche stehen und grinsten ihn sehr breit an, so als ob sie gerade erst
aufgestanden und Haschtee, Cannabiskekse und Joghurt mit rechtsdrehendem THC
gefrühstückt hätten und dementsprechend breit wären. Wahrscheinlich war auch
genau das der Fall gewesen.
„Ja, meistens gehören die zu mir“ antwortete Tom,
und die beiden setzten ihren Weg zu seinem Dj-Pult fort. Die nun folgende
Begrüßung unter Brüdern lässt sich nur schwer beschreiben. Es war eine jener
seltsamen Bewegungsabfolgen wie man sie des öfteren unter Männern beobachtet
und trotz sorgfältiger Beobachtung nie die genaue Folge der einzelnen Abläufe
herausfindet, die hauptsächlich daraus besteht, dass man sich gegenseitig auf
die Handflächen schlägt, mit verschiedenen Fingern wackelt, sich mit der flachen
Hand an die Stirn klatscht und ähnlich sinnlosen Unsinn treibt.
Nachdem der Indianertanz nun
abgearbeitet war nahm Tom einen Schluck Kaffee, und versuchte den Laptop mit der
hauseigenen Anlage zu verbinden, doch das Kabel das er mitgebracht hatte passte
nicht. Er hatte eine Verbindung von Stereoklinke auf Cinchstecker dabei, an der
Hausanlage befanden sich jedoch nur XLR-Anschlüsse. Tom kratze sich am Kopf.
„Meister, hast du auch irgendwo Cinchanschlüsse versteckt?“ frug Tom Meister
Grizzley quer über die Tanzfläche hinweg in Richtung Bar.
„Cinch ist doch nur
was für Weicheier und Fußföhner, wir sind doch keine Mädchen beim Kaffekränzchen
hier“ tönte es lautstark von Meister Petz zurück.
„Dann haben wir ein Problem“
bemerkte Tom und trank den letzten Schluck aus seiner Kaffetasse.
„Was heisst hier wir? Und vor allem: was für ein
Problem? Probleme gibt’s nicht, es gibt nur Herausforderungen“ raunte ihm
Grizzley erstaunlich leise und dabei zwinkernd zu, denn er stand nun, von einer
Sekunde auf die andere, bereits neben Tom um diese Herausforderung persönlich in Augenschein zu nehmen.
„Naja, wir
brauchen entweder Cinch oder 3,5mm Stereoklinke auf XLR, da wir nur ein Kabel
für Klinke auf Cinch haben“ analysierte Big Nick das Problem für ihn.
„Wer hat
DICH denn gefragt?“ blaffte Tom Nick sofort an, doch es tat ihm gleich wieder leid
seinen Bruder so angefahren zu haben, denn er hatte ja recht. „Aber du hast
natürlich recht“ gestand Tom auch sofort ein „So wie du immer recht hast wenn
es um Audiogeschichten geht. Musst du eigentlich ständig deine SAE-Ausbildung
raushängen lassen, du kleine Angebersau du?“ Tom gab Nick einen leichten Dämpfer
mit der Faust auf die Schulter und grinste ihn dabei an.
„Ja-haaaa!“ grinste
Nick zurück, unterließ es aber seinerseits Tom Mit der Faust auf die Schulter
zu schlagen.
„Ooooouuuuhhhhhh….“ Kam es da aus Grizzleys Mund. „Mir fällt
gerade ein wer die Lösung für unser Problem haben könnte.“
„Aha, jetzt ist es also doch unser Problem? Und überhaupt: welches
Problem? Ich sehe hier nur eine Herausforderung!“ Meinte nun Little John der
glaubte ebenfalls frech werden zu können. Tom schoss ihm daraufhin eine leere
Zigarettenpackung die er hinter dem DJ-Pult gefunden hatte zwischen die Augen –
und bekam sie prompt wieder zurück, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig
ducken um nicht getroffen zu werden.
„Jungs, ihr habt heute Alkoholverbot!“
meinte Grizzley lachend und holte sein Handy aus den Tiefen der Taschen seiner
Familienzeltartigen Jeans. Er tapste davon, ein winziges Handy in seinen
Riesenpranken und begann zu telefonieren. Tom fragte sich wie dieses zarte
kleine Handy mit den Riesenpranken des Grizzleybären zusammenpasste, vor allem
wie es der Kerl schaffte das Teil zu bedienen, aber vielleicht hatte er ja
einfach nur eine Kurzwahltaste gedrückt. Oder diese Kohlenschaufelhände waren
einfach nur geschickter als man auf den ersten Blick vermutete.
Eine
Zigarettenlänge später kam er wieder zurück, und Verkündete seine Lösung. „Jemand
wie ich kennt natürlich Leute die wiederum Leute kennen“ fing Grizzley an.
„…Die wiederum von Leuten gehört haben…“ das war Big Nick
„…Die angeblich Leute
kennen…“ setzte Little john den Satz fort
„…Die wissen dass man andere Leute
nicht unterbricht wenn sie was wichtiges zu erzählen haben!“ beendete Tom
bereits leicht genervt das Herumgealbere seiner beiden Nervensägen.
„Also,“
fuhr Grizzley fort „im Cafe Hades sitzt ein Typ, der wird Funky genannt“
„Was,
wie? Unterbrach ihn Tom. „Frankie?“
„Nein, FUNKY, so wie die Musikrichtung, der
Funk! Soweit ich weiß heißt er mit Nachnamen Fankhauser, darum Funky – aber das
hast du nicht von mir!“ Grizzley wurde anscheinend aus irgendeinem Grund
nervös. „Der hat angeblich genau das Kabel dass du brauchst. Du kannst ihn ganz
leicht erkennen. Er ist sicher der Einzige in dem ganzen Laden der einen Anzug
trägt. Sollte sich wider erwarten doch noch ein anderer mit Anzug dort
aufhalten, wird er wahrscheinlich sowieso gerade verprügelt und kann alleine
deshalb schon nicht Funky sein. Wenn sich jedoch mehr als ein Anzugträger im
Hades aufhalten und keiner von ihnen wird verprügelt, dann schau dass du die
Beine unter die Arme nimmst und komm sofort wieder zurück, dann müssen wir uns
was anderes einfallen lassen.“
„Reizend“ knirschte Tom zwischen seinen Zähnen
hervor. „Und wo ist das Hades?“
„Nicht weit“ erklärte ihm Grizzley „Die Strasse
weiter rauf, die nächste rechts rein und nach 50 Metern ist auf der linken
Seite das Hades. Geht locker zu Fuß.“
„OK, Little John, du kommst mit mir mit,
falls ich jemanden brauche der mir beim verprügelt werden beistehen muss, Big Nick,
du als Audiospezialist bleibst hier und passt auf mein Zeugs auf!“ instruierte
Tom seine Brüder.
.... Fortsetzung folgt....
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