Samstag, 29. März 2014

BUCHAUSZUG - KAPITEL 11 - ZIGARETTEN IM STURM

11


der mond sieht keine chance mehr
bevor das unheil sich erbricht
verwundet flieht ein falke
als bote durch das fahle licht

der sturm, er schleudert sein angesicht über dich
der sturm, verwüstung und donnerhall, überall

blitze fällen alte bäume
und sie bohren sich ins haus
mit schweiß vor angst sitz ich im keller
und es gehn die lichter aus
~ Witt – Der Sturm ~



„Hey, cooles Set war das heute Abend“ meinte Big Nick zu Tom, als sie das Nutopia verlassen hatten und bereits auf Toms alten Kia zusteuerten, um diesen Abend mit einer ausgedehnten gemütlichen Heimfahrt quer über die Dörfer abzuschließen.
            „Woher willst du Schnarcher das wissen, du hast doch den halben Abend verschlafen?“ raunte ihm Tom über das Wagendach hinweg zu, während er ohne hinzusehen versuchte seinen Wagen aufzusperren.
            „Ich hab ja nicht den ganzen  Abend verschlafen und das was ich so gehört habe war halt cool. Ausserdem hattest du genügend Kracher drin um mich ja nicht tief genug schlafen zu lassen!“ feixte Nick zurück.
            Es machte *zupp-schlack* als Tom endlich das Schlüsselloch in der Fahrertür gefunden hatte und die Zentralverriegelung aufsprang.
            „Is schon blöd wenn keine Haare am Loch dran sind, was?“ Juxte Little Joe herum, da ihm das Öffnen der Wagentüre offensichtlich zu lange gedauert hatte und schickte einen seiner berühmten Grunzer hinterher.
            „Depp, blöder!“ grinste Tom zurück und zwinkerte ihn an. „Ich mags eigentlich schon lieber ohne.“ Er kramte in seinen Taschen, förderte ein sehr ramponiertes Päckchen Zigaretten zutage und öffnete es. – „Ay, verdammt, Ich habe nur eine einzige Kippe, das reicht bei weitem nicht. Habt ihr noch welche für die Heimfahrt, dann ziehe ich mir auf dem Weg irgendwo welche aus dem Automaten?“
            „Nö, ich hatte gehofft dass ich welche von dir schnorren kann.“ Kam prompt Big Nicks Antwort.
            „Ich habe nur mehr zwei und die hatte ich mir eigentlich fürs Heim fahren gut eingeteilt. Daheim habe ich noch 4 Packungen.“ War Little Joes bescheidener Beitrag.
            Tom seufzte. „Gibt’s hier irgendwo einen Automaten?“ frug er einfach so in die kleine Runde hinein, in der Hoffnung eine positive Antwort zu bekommen.
            „Hmmmm… auf der anderen Seite vom Stadtpark weiß ich einen.“ fiel Big Nick ein.
        „Ja, toll, soll ich jetzt alleine im Dunkeln mitten in der Nacht quer durch den Stadtpark schleichen und hoffen dass mich kein Perverser erwischt? Kommt man da nicht mit dem Auto irgendwie hin?“
            „Schon, sicher!“
            „Und wie?“
            „Keine Ahnung!“
         Tom seufzte einmal tief angesichts dieser Wurschtigkeit, die seine Brüder an den Tag legten, denn Little Joe lag bereits auf dem Rücksitz und war wohl über diese ermüdende Diskussion bereits sanft entschlummert. „OK, komm, geh wenigstens mit, du brauchst ja auch was zum rauchen!“ forderte Tom Nick auf.

            Die beiden ließen den bereits leicht schnarchenden dritten Bruder auf dem Rücksitz liegen und machten sich zu Fuß auf um für Nikotinnachschub zu sorgen. Sie waren kaum 5 Schritte gegangen, als es anfing leicht zu regnen. Big Nick schaute nach oben in den nachtschwarzen Himmel.
            „Hmmmm… ich kann zwar nicht viel sehen, aber es sieht so aus, als ob sich da was zusammenbrauen würde.“ Meinte er mit gerunzelter Stirn zu seinem großen Bruder.
            „Ja! Drum komm, mach weiter, ich werde nass!“ Fauchte ihm Tom zu. Sie schlichen leise an den Wegen des stockdunklen Parks entlang und kamen endlich glücklich an der anderen Seite an, wo Ihnen auch gleich der Zigarettenautomat mit einem freundlichen Lächeln entgegenleuchtete. Nick und Tom zogen sich jeweils zwei Schachteln Zigaretten, wobei sich beide darüber ärgerten, dass natürlich wieder einmal ihre bevorzugten Marken nicht vorhanden waren, und machten sich auf den Rückweg. Es regnete inzwischen recht heftig und man hörte die ersten Blitze, bzw. man sah die ersten Blitze und hörte den dazugehörigen Donner. Die beiden versuchten Ihre Schritte zu beschleunigen, obwohl sie bereits bis auf die Haut durchnässt waren.

            Da begann es plötzlich so heftig zu regnen, wie man es sonst nur aus Filmen kennt. Der Begriff „es regnete in Strömen“ bekam plötzlich eine sinnvolle Bedeutung, denn die Beiden hatten das Gefühl, als würde sie die Last der Regentropfen, die von oben auf sie herabprasselten, zu Boden drücken wollen. Man konnte den Weg nur mehr ahnen, denn man sah nicht mehr weiter nach vorne, als die nächsten zwei bis drei Meter.

Und dann kam der Hagel!


            „AU! Verdammt die Dinger erschlagen mich, lass uns einen Unterstand suchen!“ rief Tom Nick durch all das Unwettergetöse zu.
            Mit den Händen über den Köpfen um sich vor den tischtennisballgroßen Hagelkörnen zu schützen, rannten beide einfach blindlings durch das Parkgelände. Sie hatten sowieso keine Ahnung mehr wo sie sich befanden, also hofften sie durch Glück etwas geeignetes zu finden, das sie vor diesem plötzlich über sie hereinbrechenden Armageddon schützen könnte. Und tatsächlich: fast wären sie in ihrer Panik daran vorbei gerannt, doch sie fanden ein Telefonhäuschen. Ein seltenes Fundstück in Zeiten, in denen ja fast jeder bereits sein eigenes Handy besitzt, manche sogar deren zwei oder drei, und kaum jemand mehr auf öffentliche Telefone angewiesen ist.
            Nick sah es aus dem Augenwinkel an sich vorbeileuchten, bremste, dass der Kies spritzte, schnappte Tom am Kragen und zerrte ihn zu sich heran um sich zusammen mit ihm in das Häuschen zu drängen.
            „Oha, hab ich gar nicht gesehen“ keuchte Tom. Na hoffentlich ist der Zauber bald vorbei, mir tut das Kreuz weh, ich bin ja immerhin heute 6 Stunden am Stück im Nutopia gestanden und hier kann man sich offensichtlich nirgendwo hinsetzen.
            „Kannst ja wieder raus und dir was bequemeres suchen“ grummelte ihn Nick an.

            „Hunger hab ich auch schön langsam, naja, wenigstens haben wir Zigaretten.“ Ignorierte Tom seinen Bruder, zündete sich eine an und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Nick tat es ihm gleich und begann „Riders In The Storm“ von den Doors zu summen….

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