Montag, 21. April 2014

BLOGSTÖCKCHEN: KINDHEITSERINNERUNGEN

ich bekam von +Patricia Geyr ein blogstöckchen zugeworfen und darf nun über meine kindheitserinnerungen schreiben. um ehrlich zu sein, das blogstöckchen wurde mir nicht direkt zugeworfen, sondern sie schmiss es einfach so in den raum, und ich fing es kurzerhand auf.

mit passt das thema ja ganz gut, schreibe ich doch immer wieder über kindheits- und jugenderinnerungen. zum beispiel über die weihnachtszeit, davon dass es in meiner familie kaum geschichten zu erzählen gab, oder davon als man noch sperrmüll sammeln konnte, von büchereien und schulbüchern und noch einiges mehr. man darf sich gerne durch meine posts wühlen - auch auf meinem alten blog.

aber zurück zum heutigen thema.

meine blogstöckchenvorgänger schrieben alle von ihren schönen kindheitserinnerungen. ich gehe das anders an, ich versuche mich mal an jene dinge zu erinnern, die ich nicht mochte, die mich nervten, oder die ich zu vergessen versuchte.

als allererstes fällt mir ein, dass ich es hasste im auto hinten zu sitzen. mir wurde dabei wirklich elendig übel und ich musste aufpassen mich nicht über kurz oder lang zu übergeben. kurze strecken gingen ja noch, aber wenn wir mal unterwegs waren, dann waren wir meistens länger unterwegs. wie man es drehte und wendete, die verwandtschaft war immer mehrere stunden weit entfernt und in den urlaub fuhren wir sowieso prinzipiell nur mit dem auto. meistens ging es dabei ans meer. ein mal sogar an die französische atlantkküste. drei tage autofahrt! heissa! dazu kam, dass meine mutter rauchte (tut sie immer noch), ich in jungen jahren natürlich noch nicht, also trug der zigarettenrauch noch zu meiner übelkeit bei. andere kinder können sich ablenken indem sie etwas lesen, ich konnte das nicht, denn wenn ich nicht die straße im blick hatte, wurde mir nur noch schneller schlecht. auch musik oder hörspiele aus dem radio halfen nicht sehr weiter, denn mein vater hatte den tick das autoradio immer dermaßen leise zu stellen, dass ich hinten fast nichts mehr hören konnte. abseits von der übelkeit war das ein weiterer faktor der mich am autofahren nervte. dabei fuhr ich eigentlich prinzipiell gerne durch die gegend, auch heute noch, aber um himmels willen ja nicht auf der rückbank! heute wird mir immer noch schlecht wenn ich in bussen zu weit hinten oder gegen die fahrtrichtung sitzen muss. in zügen ist natürlich nur die fahrtrichtung ausschlaggebend.

ich hasste es als kind kleidung angezogen zu bekommen, die ich hässlich fand. als kind kann man sich jedoch nur schlecht wehren, so trug ich also die grasgrüne kurze hose, den kotzgelben gerippten pullover mit seltsamen bendeln, die clowneske karierte latzhose und diverse andere sachen an die ich mich zum glück nicht mehr erinnere. da gab es sicher viel mehr, ich erinnere mich jedoch nur noch an meinen unwillen. im gegenteil dazu wurden von meiner mutter (und auch von omas) ständig lieblingsanziehsachen einfach so weggeworfen oder anderweitig entsorgt. dass ich vielleicht aus etwas herausgewachsen war kam mir nciht in den sinn, ich wusste nur, dass das teil plötzlich nicht mehr da war und als erklärung auf meine frage wo das denn nun abgeblieben sei nur ein lapidares "weg" bekam.


ein besonders ekliges trauma teile ich vermutlich mit den allermeisten menschen: mit spucke im gesicht abgewischt zu werden. zum glück passierte mir das nur sehr selten und immer nur durch meine großmutter väterlicherseits. vielleicht verfolgen alle die das tun damit den plan, dass man sich selbst das gesicht so schnell wie möglich bei nächster gelegenheit mit wasser und seife abwäscht? das ist nämlich genau das was ich getan habe! zur not auch ohne seife am nächsten bach, fluss, teich see, oder von mir aus auch mit salzwasser am meer. hauptsache ich bekam die eklige spucke aus dem gesicht. ich selbst habe das bei meinem kind nie getan. doch, ein mal blieb mir nichts anderes übrig, aber ich hatte mich in diesem fall vorher dafür entschuldigt. die eigene spucke im gesicht eines kindes zu verteilen ist wirklich das allerletzte! *igitt*


ich mochte auch keine spaziergänge. vor allem jene, die man machen musste, weil besuch da war. das verstehe ich bis heute nicht. auf einmal werden alle unruhig und brechen auf weil sie "raus müssen". ich fand das damals schon extrem öde und finde es heute noch langweilig. in der regel spazierte man in gegenden herum, die man sowieso schon in- und auswendig kannte, die erwachsenen unterhielten sich über dinge die einen als kind nicht interessierten und bei all dem waren sie auch noch so enervierend langsam. mit ein wenig glück kam man irgendwo vorbei wo es kuchen oder eis gab, das war für mich dann die ausgleichende gerechtigkeit. dafür, dass ich mir das antat wollte ich auch gebührend entlohnt werden. später, als jugendlicher, konnte ich diesen spaziergängen ausweichen indem ich mich entweder stur stellte, oder einfach was anderes zu tun hatte. hin und wieder schob ich sogar hausaufgaben vor.

ja, die hausaufgaben! ich hatte kein generelles problem damit, doch manchmal gab es aufgaben, die dermaßen umfangreich waren, dass dabei fast das ganze wochenende draufging. meistens waren es mathematikaufgaben, oder auch geometrisches zeichnen. das eine hasste ich, darum zog sich das auch immer so lange, das andere war so verflixt aufwendig. ich zeichnete zwar immer schon sehr gerne, auch technisch, aber man musste dabei immer so verdammt genau sein. und wehe man verpatzte einen mit tusche gezogenen strich - dann musste man es unter umständen auch noch neu machen. ich war zwar sehr gut wenn es ums verständnis ging, aber ich war immer schon ein schluderjahn. ich wusste zwar genau wie etwas zu zeichnen sei, aber in der ausführung haperte es dann. ich muss zu meiner verteidgung erklären, dass ich in deutschland immer nur mit bleistift gezeichnet hatte, die reinzeichnung mit tusche wurde dort entweder gar nicht, oder erst später praktiziert, bzw. gelehrt. als ich dann nach österreich kam, hätte ich das eigentlich schon können sollen und wurde quasi ins kalte wasser geschmissen. dass ich zunächst mit feder und tuschfäßchen arbeiten musste, war dabei nicht sehr hilfreich. erst später bekam ich diese praktischen tuschstifte von rotring. doch da war mein image als schlampiger zeichner schon geprägt. und ich hatte auch keine lust mehr es besser zu machen.


schule an sich ist auch so ein thema. ich habe bereits in älteren blogs darüber geschrieben, aber ich wiederhole es hier nochmal:

die ersten jahre ging ich in deutschland zur schule. als wir dann nach österreich zogen, gab es für mich als schüler so einige änderungen, auf die mich niemand vorbereitet hatte. das fängt damit an, dass man plötzlich nur mehr 5 statt 6 noten hatte. gut, das wusste ich bereits, aber dennoch verengte das meinen spielraum im nachlässig sein. dann wurden hier die lehrer mit einem titel angesprochen, nämlich mit herr fachlehrer, oder frau fachlehrerin. in deutschland sprach man seine lehrer mit namen an. das kam mir nun wirklich seltsam vor, wie wenn ich eine zeitreise gemacht hätte. ich bekam ein monatliches heftchen namens "jung österreich" das nicht sonderlich interessant war und man musste einen monat im voraus seine schulmilch bestellen. in deutschland gab es keine propagandazeitschrift und man bekam geld mit um sich in der großen pause etwas kaufen zu können. da stand nämlich der schulwart mit einem stand und verkaufte gebäck. aus dieser zeit stammt meine vorliebe für laugensemmeln.

ich musste in der schule auf einmal hausschuhe tragen. das ist zwar gut so und nachvollziehbar, war aber in der ersten zeit wirklich seltsam. ausserdem war die große pause kürzer und man durfte in dieser zeit nicht nach draussen. wenn ich mich richtig erinnere war die große pause in deutschland 15 oder 20 minuten lang. jedenfalls lang genug um sich etwas zu kaufen, es zu essen und ein wenig zu spielen. in österreich dauert die große pause nur 10 minuten. meiner meinung nach viel zu kurz um es große pause nennen zu dürfen.

ein weiterer schock war für mich das verhalten der mitschüler. ich traf hier nicht nur auf unverhohlenen zynismus, der mir in dieser art wirklich absolut neu war, sondern auch auf offene feindseligkeit, verschlagenheit und bösartigkeit. vielleicht hatte ich in deutschland einfach nur glück, dass ich nie mit der kindlichen bösartigkeit in berührung kam, oder ich hatte mit meinen neuen mitschülern einfach nur pech, jedenfalls überforderte es mich hier nun sehr. mit der zeit entwickelte ich zwar strategien um damit umzugehen, aber dieser eindruck war wirklich nachhaltig.

gehen wir wieder zurück zu dingen ausserhalb des schulalltags.

wenn wir auf besuch waren, egal ob kurz oder auf längere zeit, gab es auch immer etwas zu essen. und meistens dinge die ich nicht mochte. wobei ich hier zwischen den deutschen und den österreichischen verwandten unterscheiden muss. beiden deutschen war es meistens recht ok, ja im grunde freute ich mich sogar auf die legendäre kartoffelsuppe die es immer bei meiner urgroßmutter gab, auf den sauerbraten und auf all die großartigen kuchen. ausserdem bekam ich von ihr IMMER ritter-sport vollnuss geschenkt. die österreichische oma war da ein anderes kaliber. sie konnte zwar gut kochen, war sogar jahrelang in der küche eines großen hotels angestellt, aber irgendwie hatte die eine seltsame auffassung vom kochen. zunächst einmal hatte sie den tick ALLES aufzubrauchen und zu verarbeiten, egal wie lange es schon abgelaufen war und wie seltsam es schlussendlich schmeckte. reste gab es keine, denn die wurden fürs nächste mal aufbereitet. es gab immer nur linzer kuchen, den ich bis heute nicht ausstehen kann und ich bekam von ihr immer eine auswahl an verschiedenen sorten manner schnitten. wer schon einmal manner zitronenschnitten essen musste, oder jene mit orange, der weiss wovon ich rede. ich mochte aber ihr schnitzel und zum frühstück das in stückchen geschnittene butterbrot samt ovomaltine.

wenn man also bei den üblichen verdächtigen zu Besuch war, dann wusste man ja was einen erwartet. schlimm wurde es nur, wenn man irgendwo essen musste, wo man nicht wusste was das jetzt wird. besonders in erinnerung blieb mir dabei der zungenbraten. das sah wirklich eklig aus und ich traute mich lange nicht daran, aber schlussendlich mochte ich ihn dann doch, denn der schmeckte wie der sauerbraten bei urgroßmutter. jedenfalls war essen an sich immer eine gratwanderung. die gastgeber gaben sich mühe das beste was sie bieten konnten aufzutischen und man konnte ja schlecht sagen, dass man das nicht mag. zumindest wurde ich so erzogen, dass man das nicht sagen darf. also würgte man ein bisschen was hinunter und stocherte alibimäßig im essen herum. ich war immer froh, wenn es ins gasthaus ging, dort fand ich dann schon was das ich mochte.

was ich meinen eltern heute noch übel nehme, ist die ständige abkommandierung zu besorgungsgängen. das fing schon sehr früh mit dem milch holen an. natürlich war es nicht so, aber in meiner erinnerung war ich wirklich jeden verdammten abend unterwegs um beim bauern mit milchkannen milch zu holen. wenn zwischendruch mal etwas fehlte wurde ich zum laden geschickt, zum metzger, zum bäcker, einfach nur schnell zigaretten holen oder um kuchen zu besorgen wenn besuch da war.

einer dieser botengänge bescherte mir eine tolle narbe am knie. ich wollte eigentlich irgendetwas im fernsehen ansehen, da kam mutter und schickte mich zigaretten holen. also düste ich mit dem fahrrad los, besorgte die kippen, radelte wie ein irrer wieder zurück und versuchte dann die haustüre, so wie ich es gewohnt war, mit dem fuß aufzutreten. die haustür war nämlich normalerweise nie verschlossen. dieses mal war sie es jedoch. und sie hatte eine dicke glasscheibe. jedoch nicht dick genug, denn mein tritt zerbrach das glas und irgendwie erwischte mich eine große scherbe am knie. sie schlitzte die hose auf und das fleisch darunter. wie es weiterging weiss ich nicht mehr so genau. ich landete auf alle fälle im krankenhaus und bedauerte, dass ich nun keine krautwickel bekam. die hätte es nämlich an diesem tag gegeben und ich mochte sie sehr gerne. zum glück war es eine reine fleischwunde, die zwar genäht und ruhig gestellt werden musste, aber es gab keine weiteren komplikationen. ich lag also eine woche mit liegegips im krankenhaus herum. trotz liegegips weigerte ich mich die flasch zum pinkeln zu benutzen, geschweige denn die bettpfanne, und hüpfte immer auf einem bein zur toilette.

ich war nämlich immer schon ein bisschen "gschamig", wie man hier in österreich so schön sagt. vermutlich rührte das von folgendem ereignis her: wie alle kleinen kinder, spielte natürlich auch ich hin und wieder mal an meinem pullermann herum, wenn sich die gelegenheit dazu ergab. und diese ergab sich offenbar irgendwann einmal, als wir wieder mal bei den deutschen verwandten waren. ich saß also völlig unschuldig, offenbar nackt, auf dem boden herum und tat was auch immer ich tat. mir war ja nicht einmal bewusst was ich da tat, ich hörte nur auf einmal meine mutter hysterisch herumschreien und schimpfen.

ich will es jetzt nicht auf meine mutter schieben, aber ich konnte es nie leiden wenn man mich nackt sehen konnte, oder wenn man mitbekam dass ich dinge in der toilette verrichtete. ich mochte es nicht einmal mich zusammen mit anderen ans pissoire zu stellen. das mag ich auch heute noch nicht. wenn es geht stelle ich mich immer so weit wie möglich weg von anderen. und trotz allem wurde ich immer wieder irgendwo nackt deponiert. meistens irgendwo an irgendwelchen stränden beim baden. mir war das unangenehm, aber was nutzt es schon, wenn man als kind rumquengelt. also saß ich nackt herum und spielte verschämt im sand. jahre später kamen meine eltern dann auf die großartige idee den urlaub in einem fkk gelände zu verbringen. ich war schon alt genug um mich wehren zu können, also sah man MICH dort niemals hüllenlos. und das gleich 3 jahre in folge. diese urlaube bescherten mir zwar schöne freundschaften, aber meine scham konnte ich all diese jahre nicht überwinden. trotzdem habe ich diese urlaube genossen. ich hatte ja eine badehose.



da fällt mir das badezimmer meiner österreischischen großmutter ein. die ersten jahre gab es nämlich nur einen winkel, der nur durch einen vorhang von der küche abgetrennt war. ich mochte das nicht, denn natürlich hielten sich ständig alle in der küche auf. und da sollte ich mich daneben abwaschen oder baden? nackt? ich hasste es und war heilfroh, als dann im ersten stock endlich ein zweites kleines bad eingerichtet wurde.

oh und ich hasste bootsfahrten. ich hatte damals unheimliche angst vor tiefem wasser und wurde regelrecht panisch. ein mal hatte ich mich überwunden und fuhr mit meinem vater im urlaub in einem kajak mit. dummerweise wurde dann das wetter schlechter, der wind fing an zu wehen und mir spritzte andauernd das salzwasser in die augen und brannte. ich heulte wie ein schloßhund, denn es hörte nicht auf. mein vater konnte auch nichts tun, ausser zu sehen, dass wir so schnell wie möglich zurück ans ufer kamen. jedenfalls brachte mich danach nicht mehr wieder so schnell in ein boot.


so, nun ist es aber wirklich genug mit unangenehmen erinnerungen.....

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