Samstag, 25. Januar 2014

BUCHAUSZUG - KAPITEL 6 - DAS LEBEN IST SCHÖN

6


No need to run and hide
It's a wonderful wonderful life
No need to laugh and cry
It's a wonderful wonderful life
~ Black, “Wonderful Life” ~



Es war zwar nicht unbedingt so, als ob Tom gerade ein orientalisches Puff betreten hätte, genau genommen hatte dies hier in keinster weise auch nur irgendeine Ähnlichkeit mit Toms Vorstellung von einem orientalischen Puff, dennoch war dies die erste Assoziation die sich ihm aufdrängte, als er das Büro des grinsenden Haifisches betrat. Tom wurde von allgegenwärtigen, äußerst aufdringlichen goldenen Verschnörkelungen direkt erschlagen, an den Wänden fanden sich gerade mal noch geschätzte zweieinhalb Quadratzentimeter Platz falls man auf die Idee kam noch zusätzlich etwas dazuzuhängen, zudem waren sämtliche Regale voll gestopft und alle horizontalen flachen Flächen, also Schreibtisch und Fußoden, waren mit diversen Papieren und Ordnern übersät. Weiters beanspruchte ein riesiger Fernseher mitsamt DVD-Player und dazu passendem Unterschränkchen ein Viertel des gesamtes Raumes für sich und an eine Wand gequetscht duckte sich eine verschreckte Sitzecke, bestehend aus den schon vom Vorraum bekannten schwarzen Kunstledercouchen und einem Glastisch, auf dem sich ebenfalls etliche Papiere und Ordner munter tummelten und durcheinander wieselten. Herr El Hammoud ließ sich in einen schwarzen Sessel fallen und bedeutete Tom mit einem geistesabwesenden Wedeln seiner rechten Hand ebenfalls Platz zu nehmen.
            „Nun, errzäll mirr wass überr dich!“ Tom holte tief Luft, denn er konnte es absolut nicht leiden wenn ihm jemand während eines Vorstellungsgespräches diese Frage stellte, obwohl diesem ja bereits die wichtigsten Daten bekannt sein mussten wenn die Bewerbungsunterlagen zumindest kurz überflogen worden waren. Dies interpretierte er als Desinteresse an seiner Person, bzw. an ihm als potentiellen zukünftigen Arbeitnehmer. Da trotzdem mit schöner Regelmäßigkeit diese Frage immer wieder gestellt wurde hatte er sich eine passende Strategie zurechtgelegt indem er einfach das Wichtigste und sowieso Offensichtliche aus seinem Lebenslauf wiederholte und mit ein paar kurzen aber sehr nebensächlichen Fakten, wie zum Beispiel das Alter seines Katers und seiner bevorzugten Zigarettenmarke würzte.
            „Inglisch?“ unterbrach ihn der orientalische Hobbit völlig respektlos mitten in Toms Ausführungen über sein Leben und den ganzen Rest. Diese Frage verwirrte ihn ein wenig, denn er wusste nicht ob ihm nun gerade eine Tasse Tee oder vielleicht ein Steak angeboten wurde, bis ihn sein Verstand dann doch wieder einholte und ihm klar wurde dass man sich soeben nach seinen Fremdsprachenkenntnissen erkundigt hatte.
            „Natürlich“ erwiderte Tom kurz und knackig.
            „Wie gutt bisst du, wie viele Perrcent glaubsst du kannsst du inglisch?“
            „Pfuh, ich schätze mal ca. 80 Prozent“ antwortete Tom. Ein rundliches, olivenhäutiges Gesicht schaute ihn mit hellbraunen Äuglein und beiden hochgezogenen Augenbrauen sehr erstaunt an.
            „So vieeeele? Wirrklich? Ich traue mich nur su sagen sechzisch Perrcent. Well, how can I be sure that you won’t leave me in one or two month?” Dies war nun wohl ein lächerlicher Versuch des kleinen Teppichhändlerverschnitts Tom aus dem Konzept bringen zu wollen, aber so leicht ließ Tom das nicht mit sich machen und er konterte in schönem Oxfordenglisch mit einem kleinen Diskurs darüber wie gerne er einen Job und eine Firma finden würde in der er bis zur Pension bleiben könnte, dass es nur leider niemals in seiner Macht lag dies zu realisieren und wie sehr er sich freuen würde wenn ihm dies nun hier in dieser Firma endlich gelänge.

            Nach ca. 45 Minuten, gespickt mit sehr vielen ähnlichen Fragen und etlichen Finten, überraschte der bereits leicht schwitzende Zwerghai den nun ebenfalls ins schwitzen gebrachten Tom mit einem wie nebenbei und lässig hingeworfenen „Wann kannsstt du anfangen?“ Mit dieser Frage wurde Tom nun doch aus dem Konzept geworfen.
            „Äääähhh…. Ich weiß nicht, also, da ich ja auf Arbeitssuche bin und sonst nicht großartig viel zu tun habe könnte ich prinzipiell sofort anfangen.“
            „Gutt, dann kommst du morrgen!“ schmetterte ihm dieser kleine durchtriebene  Mistkerl von zukünftigem Arbeitgeber den Ball wieder zurück.
            „Okay, wann soll ich da sein?“ Die Flucht nach vorne, fand Tom, ist nunmehr die einzig mögliche Vorgehensweise, außerdem brauchte er ja dringend den Job. Also sagte er zu am nächsten Morgen, einem Freitag, um acht Uhr als neuer Arbeitnehmer im Büro zu erscheinen und Habt Acht zu stehen, wie man in Tirol so schön zu ähnlichen Anlässen sagte.
            „Bissst du glügglisch?“ frug nun doch tatsächlich Toms frischgebackener Chef.
            „Nun ja, natürlich.“ Gab Tom zurück und versuchte sein Lächeln noch breiter wirken zu lassen als jenes das gerade von  Herrn El Hammoud vorgeführt wurde.

            „Das gehört jetzt aber anständig gefeiert“ dachte sich Tom als er sich bereits auf der Heimfahrt auf der Inntalautobahn befand und beschloss spontan in Da Haus, einer WG die sich gleich ein ganzes Haus gemietet hatte und deren Bewohner sich zur einen Hälfte aus zwei seiner besten Freunde, Herbert genannt Herbie und Stefan den alle Stiefel nannten und zur anderen Hälfte aus seinen beiden Brüdern, Johannes genannt Little Joe und Nick, Big Nik genannt, zusammensetzte, vorbeizuschauen. Diese Jungs waren ca. zehn bis zwölf Jahre jünger als Tom. Das ganze Haus, bzw. die sich darin befindlichen PCs waren alle miteinander vernetzt, da jeder der Bewohner auf die eine oder andere Art ein Computerfreak war, aber natürlich nicht mit professionell verlegten Leitungen, sondern mit quer über den Fußboden verlegten und an den Wänden entlang gespannten und mit Klebeband befestigten Kabeln. Ähnlich sah auch der Rest des Hauses aus. Nahezu jede Fläche die nicht regelmäßig benutzt wurde war verstaubt, in der Küche befanden sich permanent bereits seit Tagen irgendwelche ominösen Essensreste, die Möbel kamen vom Sperrmüll, beziehungsweise waren von Bekannten und Verwandten übernommene alte abgelegte Möbel, die ansonsten auf dem Sperrmüll gelandet wären, überall standen übervolle Aschenbecher oder zu Aschenbechern umfunktionierte sonstige Behältnisse wie Untertassen, leere Bier- und Getränkedosen oder auch mal ein Teller mit den bereits erwähnten Essensresten, welcher dann ganz pragmatisch zum Aschenbecher erhoben wurde herum. Das Haus stand jedem offen der guter Dinge war, nichts Böses im Sinn hatte und nichts dagegen hatte sich kindisch zu benehmen… oder Bier mitbrachte... oder weiblichen Geschlechts war. Kurzum, Tom fühlte sich dort sauwohl und verbrachte so oft es ging seine Zeit in seinem Jugendzimmer, wie er es bei sich und Manuela gegenüber gerne nannte. Da Tom nun definitiv nicht weiblich war und sich auf die Schnelle auch sicher keine adäquate weibliche Spontanbegleitung auftreiben lassen würde, schaute er noch kurz beim Supermarkt vorbei um zwei Sechsertragerl, eines mit Bier und zusätzlich eines mit Radler zu besorgen. Am Parkplatz stehend rief er noch kurz bei Manuela an um ihr erstens die frohe Botschaft der neuen Anstellung und zweitens den Entschluss dieses Ereignis in Da Haus gebührend zu feiern mitzuteilen und fuhr dann sehr gut gelaunt und an den Song „Our House“ von „Madness“ denkend wieder los, um das soeben gekaufte Bier seiner Bestimmung zukommen zu lassen. Vor Übermut ließ er sogar ein wenig beim Anfahren gutgelaunt die Reifen quietschen

            Es hatte sich so eingebürgert dass sich immer alle Besucher und auch die meisten der Mitbewohner in Herbies Zimmer zusammenfanden, obwohl dem Haus ein riesiges Wohnzimmer zur Verfügung stand. Keiner wusste warum das so war und wie es dazu kam. Vermutlich lag es daran dass Herbie immer Musik aus dem PC über eine ziemlich gute und gerne auch mal zu laut eingestellte Anlage laufen lies, dazu jedoch im Wohnzimmer keine Möglichkeit bestand, denn niemand hatte eine Stereoanlage übrig um sie der Hausgemeinschaft zu stiften, damit man auch mal im Wohnzimmer anständig Party feiern hätte können. Das Wohnzimmer war eigentlich nur für etwaige Film-Events reserviert, denn manchmal brachte Herbie von seinem Job als Trainer und Seminarleiter für diverse Computerprogramme übers Wochenende einen Beamer mit, welcher dann immer während ausufernden Filmabendmarathons, zusammen mit der von Herbie aus seinem Zimmer bereitgestellten Anlange, an seine Leistungsgrenzen und mit schöner Regelmäßigkeit auch an jene der teilnehmenden Zuschauer, geführt wurde.

Diesmal befanden sich zu Toms großer Überraschung außer Herbie noch zwei offensichtlich blutjunge und veritabel hübsche Girlies im dämmrigen und bereits hoffnungslos verrauchten Zimmer. Tom überraschte dies deshalb sehr, da es bisher noch nie vorgekommen war, dass sich junge Mädchen freiwillig in diese Männerwirtschaft, bzw. in dieses von Nerds verursachte Chaos begeben hätten. In Toms Kopf fing gerade „Hey, Little Girl“ von Icehouse“ zu spielen an. Noch mehr staunte Tom jedoch, als er bei näherer Betrachtung den Eindruck gewann, dass dies nicht nur einfache Girlies waren, sondern dass man diese Spezies eigentlich eher als Tussen bezeichnen musste, und diese waren so ganz und gar nicht Herbies Beuteschema. Genau genommen fielen Tussen in diesem Haus in niemandes Beuteschema. Da sie aber beide sehr kurze Röcke trugen, dazu tiefe Ausschnitte, ansonsten auch recht angenehm anzusehen waren, beide auch noch am Boden saßen, bzw. fast schon lagen und getreu dem altem Zickenmotto mit Reizen niemals geizen sich dort herumräkelten, was sowohl Herbie als auch Tom hoffen ließ noch tiefere Einblicke in das Wesen dieser beiden Geschöpfe zu bekommen, störte auch das tussenhafte Benehmen der beiden Mädels nicht weiter. Die beiden Erscheinungen stellten sich als Angela, bzw. Angie und Maria, bzw. Mary, 17 und 18 Jahre jung vor und kicherten dabei allerliebst, wie Tom fand. In seinem fortgeschrittenen Alter von nun doch bereits fast 40 Jahren und im Hinterkopf die bevorstehende physische Trennung von Manuela (mental hatte die Trennung ja bereits stattgefunden) machten ihn neuerdings sehr empfänglich für diese Art von weiblichen Reizen. Auch Herbie grinste bereits vielsagend.

            Nachdem Tom seine Bierchen verteilt hatte, Herbie einen alte Flasche irgendeines billigen hochprozentigen Gesöffs zur Verfügung stellte und beides bereits in vollen Zügen, vor allem von den beiden Augenweiden genossen worden war, beschloss Tom, sei es aus einer plötzlichen Erkenntnis heraus, aus einer aufblühenden Midlife-crisis oder einfach nur weil er bereits zu viel Alkohol intus hatte, sein Leben ein wenig aufregender zu gestalten und schlug vor dass es doch eine gute Idee wäre ein Gesellschaftsspiel zu spielen und dass man dies doch dadurch auch noch ein wenig interessanter machen könne wenn man als Verlierer ein Kleidungsstück ausziehen müsse. Er rechnete zwar nicht wirklich mit der Zustimmung der beiden Mädels, aber diese hatten wohl entweder ebenfalls gerade beschlossen ihr Leben, bzw. zumindest diesen Abend ein wenig aufregender zu gestalten, oder aber auch hier war schlicht und einfach nur der Alkohol am Werk. Tom und auch Herbie war es irgendwie total egal warum die Mädchen so freizügigerweise bereit waren bei dem Blödsinn mitzumachen, die Hauptsache war DASS sie es waren. Die Runde einigte sich nach kurzer Beratung auf das beliebte Spiel „ich packe meinen Koffer“. Die Zimmertür wurde vorsorglich geschlossen und versperrt und Herbie fing an:
            „Ich packe meinen Koffer und nehme mit….“ Er überlegte kurz „…meinen Laptop“ begann er das Spiel auf recht simple weise. Nun war Mary, die ältere der beiden, an der Reihe:
              „Ich packe meinen Koffer“ quieckste sie „und nehme mit meinen Laptop und…“ auch sie überlegte kurz „….und meinen pinkenen Lippenstift“ schloss sie.
            „Ich packe meinen Koffer“ begann nun Angie „und nehme mit….“ Das Mädchen musste jetzt bereits schon überlegen „… meinen… ääähhh… Laptop“ sie kicherte erleichtert „…meinen pinkenen Lippenstift“ so etwas konnte sie sich offensichtlich leicht merken „und meinen Bikini“ beendete sie ihre Runde. Nun war die Reihe an Tom.
            „Ich packe meinen Koffer und nehme mit, meinen Laptop, meinen pinken Lippenstift, meinen Bikini…“ allgemeines Gelächter brach an dieser Stelle aus, denn nun stellte sich jeder vor wie Tom tatsächlich einen Lippenstift und einen Bikini einpackte „und meine Desoxyribonukleinsäure!“ schloss Tom sein Kofferpackrunde.
            Nun genoss er das betretene Schweigen der beiden Mädchen, denen nun wohl dämmerte worauf sie sich gerade eingelassen hatten, lehnte sich zufrieden zurück, nahm einen Schluck von seinem Radler, zog an dem Joint den Herbie gebaut hatte und der gerade durch die Runde seine Kreise zog und reichte diesen wieder an seinen alten Kumpel zurück, gerade als jener seine Runde Koffer packen mit „…und ein Päckchen Tetrahydrocannabol“ beendete. Tom grinste sehr, sehr breit. Das Leben war schön!

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